Die Jugend von heute hat kein gutes Image. Doch Studien sowohl in Frankreich als auch in Deutschland zeigen, dass die Generation Y vieles zum Positiven verändert.

Die Jugend von heute ist unpolitisch, respektlos und kann sich nicht konzentrieren – so lautet ein weit verbreitetes Klischee. Wer jenseits davon eine viel differenziertere Meinung hören will, spricht am besten mit Julien Pouget. „Die Generation Y revolutioniert mit ihren neuen Arbeitsmethoden die Gesellschaft. Viele Arbeitgeber verstehen und erkennen das einfach nicht“, sagt der Autor im Gespräch mit bonjournalist.eu. Julien Pouget beschäftigt sich als Business Designer mit innovativen Arbeitsweisen und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt durch heranwachsende Generationen. In seinem neusten Buch „Lacher-Prise en Entreprise“ (2016) fordert er die Befreiung der Arbeitnehmer von einengenden Arbeitsverhältnissen.
Bereits 2010 nahm er die Generation Y unter die Lupe, also diejenigen, die zwischen den Jahren 1980 und 2000 geboren wurden. Für sein Buch „Intégrer et manager la génération Y“, das zu der Zeit entstand, sprach er mit Soziologen, Arbeitgebern, Lehrern und nicht zuletzt mit Vertretern der Generation Y in Frankreich. Er dokumentierte ihr Verhalten und ihre Wünsche. Und er verglich sie mit älteren Generationen, also den Babyboomern (1955 bis 1964) oder der Generation X (1965 bis 1980).

Missverständnisse führen zu Konflikten

Der inzwischen 38-Jährige ist der Meinung: Die Jugend von heute wird enorm unterschätzt. Ein Lehrer, der Schüler im entsprechenden Alter unterrichtet, erkannte im Gespräch mit Pouget dieses Phänomen an sich selber wieder. Immer wieder ärgerte er sich über seine vermeintlich desinteressierten Schüler, die während des Unterrichts auf ihren Smartphones tippten. Um sie auffliegen zu lassen, stellte er ihnen überraschende Wissensfragen zum Unterrichtsstoff. Über das Ergebnis war er ebenso verwundert wie amüsiert: „Die Schüler haben fast jedes Mal die Antwort gewusst. Das ist Multitasking, wie ich es niemals könnte“, sagte er Pouget. Solche Fehlannahmen führen dazu, dass die neue Arbeitsweise der Millennials als Respektlosigkeit gewertet wird, anstatt sie zu nutzen. Und das ist nur eines von vielen Beispielen. Pouget erzählt von empörten Arbeitgebern, die nicht verstehen, warum die Millennials sie hinterfragen. Der französische Autor hat eine Erklärung dafür:
Die Millennials sind mit dem Internet aufgewachsen, in dem ihnen keine höhere Autorität vorschreibt, was sie sagen dürfen und was nicht – jeder kann alles kommentieren. Die Frage nach dem „Warum“ ist so maßgeblich für die Generation, dass sie sogar nach ihr benannt ist (Y=Why).
Die Arbeitgeber dagegen kommen aus einer Arbeitswelt voller hierarchischer Strukturen – der Konflikt ist vorprogrammiert. „Die Generation Y will nicht mehr für jemanden arbeiten, sondern mit ihm. Doch ich bin zuversichtlich, dass der Wandel eintritt – er ist in immer mehr Unternehmen zu beobachten“, sagt Pouget. Flachere Hierarchien und eine lebhaftere Diskussionskultur würden in vielen Unternehmen gefordert und auch durchgesetzt.
Auch im Bildungssystem befeuert die Generation Y ein Umdenken. Während der Lehrer früher dafür geschätzt wurde, mehr zu wissen als seine Schüler, bröckelt diese Wertschätzung immer mehr. Mit zwei Mausklicks können sich Schüler heutzutage dasselbe Wissen aneignen wie er.
Deshalb ist beispielsweise in Deutschland die Diskussion der Lehrinhalte im Unterricht an der Tagesordnung. In Frankreich dagegen lässt diese Entwicklung noch auf sich warten, Frontalunterricht sei laut Pouget noch die gängige Methode.

Kulturelle Angleichung durch Globalisierung?

Dennoch ist er der Meinung, dass die Unterschiede zwischen den Ländern kleiner werden.
Das Internet habe nicht nur das Hierarchiedenken der Generation Y aufgelöst, sondern auch kulturelle Unterschiede und Wertevorstellungen, meint er. Die Globalisierung und das Internet samt Gaming, Reality-Shows und Serien führten nach und nach zu einer kulturellen Angleichung der jungen Generationen verschiedener Länder.
Der deutsche Journalist und Autor des Buches „Die heimlichen Revolutionäre – Wie die Generation Y unsere Welt verändert“, Erik Albrecht, sieht das jedoch etwas anders.
„Auch die wirtschaftliche Lage eines Landes hat Einfluss auf die Wünsche und Wertevorstellungen ihrer Jugend“, sagt er.
Die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich ist wesentlich höher als in Deutschland. Dementsprechend unterschiedlich seien auch die Anforderungen der Jugendlichen an ihren späteren Beruf. Während Jugendliche in Frankreich sehr viel Wert auf ein hohes Einkommen legten, stehe für deutsche Jugendliche eine ausgewogene Work-Life-Balance an erster Stelle. Sein 2016 erschienenes Buch schrieb der Journalist Albrecht gemeinsam mit dem anerkannten Soziologen Klaus Hurrelmann. Er hält immer noch diverse Vorträge zu dem Thema.

Neue Wege für Protest

Doch trotz der Unterschiede vereinigt die jungen Generationen vieler Länder eine Gemeinsamkeit: ihre Art, sich Gehör zu verschaffen. 50 Jahre nach den Studentenrevolten 1968 hat sich die Art zu protestieren signifikant verändert.
Damals organisierten sich viele Menschen in Parteien oder Gewerkschaften. Heute kann jeder Mensch für sich alleine im Internet seinen Protest einlegen, nicht nur Gruppen haben die Möglichkeit, dass ihre Stimme gehört wird. „Früher wollten sie, dass man für sie spricht – jetzt wollen sie für sich selber sprechen“, sagt Pouget. Doch das gemeinsame Protestieren ist nicht aus der Mode gekommen. Online-Petitionen oder Facebookgruppen lösen langsam die offiziellen Verbände ab.
Dass viele Menschen der Jugend Desinteresse an der Politik vorwerfen, kommt daher, dass diese Verbände und Organisationen immer weniger junge Mitglieder zählen. Diese ziehen sich aber nicht aus der Politik zurück, sondern suchen sich lediglich andere, neue Wege.
Der 25-jährige Journalist Jalal Kahlioui spricht auch von neuen Möglichkeiten, die sich für junge Journalisten auftun. Informationen und politische Statements seien nun jedem zugänglich, über Twitter, Facebook und Co. „Dadurch vermischt sich in unserer Generation schnell das Privat- und Berufsleben. Über Facebook verabreden wir uns mit unseren Freunden, kontaktieren aber auch potenzielle Interviewpartner“, sagt er.
Die Generation Y schafft also vieles: sie revolutioniert das Arbeits- und Bildungssystem, sie löst kulturelle Unterschiede auf, sie erfindet neue Wege zu protestieren. Nur eines ist sie nicht: unpolitisch.

ByUs Media – Jugend Macht Medien

Das Unsichtbare sichtbar machen – das ist das Motto von ByUs Media. Das Online-Medium
gibt es seit 2016, die Redaktion hat ihren Sitz in Paris. Die Macher sind Journalisten mit
afrikanischen Wurzeln, die Zielgruppe ist die afrikanischstämmige Community Frankreichs.
Der Name „ByUs“ – also „von uns“ – ist nicht zufällig gewählt. Denn afrikanischstämmige
Menschen sucht man oft vergeblich in den Medien. „Das Medium wurde aus einer Not heraus geboren“, sagt Rokia Dosso, eine der vier Mitgründerinnen von ByUs Media. „Ich habe mich in den Medien nicht wiedergefunden. Schwarze Menschen gab es so gut wie nirgendwo.
Daran hat sich immer noch nicht viel geändert“, sagt sie. Deshalb hat sie die Sache selbst in die Hand genommen, mit ihrem Team, das sich inzwischen sogar schon auf neun Redakteure vergrößert hat.


Die Website bietet afrikanischstämmigen Künstlern, Musikern, Forschern und anderen
Akteuren mit spannenden Ideen oder Lebensläufen eine Plattform. Die Themen sind sehr
vielfältig: „10 Dinge, die du bestimmt noch nicht über Bob Marley wusstest“; „Wie investiert Frankreich in die afrikanischen Märkte?“; oder: „Dieser kenianische Student erfindet bemerkenswerte Drohnen“!
Rokia Dosso sieht sich als typische Vertreterin der Generation Y: „Etwas zu gründen und sich mit neuen Ideen Gehör zu verschaffen – das sind zwei typische Merkmale unserer Generation. Wir haben sie miteinander vereint.“

Rokia Dosso