Wir haben 17- und 18-Jährige aus Paris gefragt, was sie über Europa denken. Und wir stellen europäische Programme vor, die sich in Frankreich an die junge Zielgruppe richten. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Zugang zu europäischen Austauschprogrammen – und dem Grad der Begeisterung für Europa?

So denken Pariser Gymnasiasten über Europa – und Pariser Gymnasiallehrer über das Angebot an Europäischen Austauschprogrammen

Xavier (17)
„Ich fühle nicht, dass ich eine Verbindung mit anderen europäischen Ländern habe. Für mich gibt es keinen wirklichen Austausch, obwohl ich glaube, dass es sehr helfen würde, mich europäisch zu fühlen.“
Hugo (18)
„Ich bin europäisch, weil Frankreich ein Teil von Europa ist, nicht weil ich bisher schon mal an einem Austausch mit anderen europäischen Ländern teilgenommen habe. Ich habe aber an einem Austausch mit Madagaskar teilgenommen, das war wirklich sehr bereichernd.“
Fatima (18)
„Ich weiß zwar, ich bin Europäerin, aber ich fühle mich nicht wirklich europäisch. Ich habe das Gefühl, keinen Zugang zu europäischen Programmen zu bekommen. Und in meiner Schule gab es kein Projekt, das Wissen über Europa vermittelt hat. Mir hätte es geholfen, wenn uns Möglichkeiten gezeigt worden wären, denn ich selbst habe nicht die Initiative dazu ergriffen. Heute bin ich für diese Programme zu alt, jetzt ist es zu spät.“
Mariama (17)
„Weil ich in Frankreich wohne, fühle ich mich europäisch. Ich habe aber bisher keine europäischen Austauschprogramme mitgemacht und auch kein Interesse daran.“
Alexandre (17)
„Ich fühle mich europäisch, habe aber noch nie an europäischen Austauschprogrammen teilgenommen. Aber wenn ich die Möglichkeit hätte, dann klar, warum nicht? Je mehr Menschen sich als Europäer fühlen, desto stärker wird Europa und kann mit anderen Großmächten wie den Vereinigten Staaten mithalten.“
Joe (18)
„Ich fühle mich europäisch und war schon einmal in Spanien. Das hat sich super gelohnt, ich lernte andere Leute kennen und eine andere Kultur. Das hätte ich in meiner Schulzeit wirklich gerne noch häufiger gemacht.“
Véronique Buxtorf, Lehrerin am Lycée Georges Guérin in Neuilly-sur-Seine
„Ja, es gibt europäische Programme wie ‚Erasmus+’ an französischen Schulen. Für die Lehrer sind diese Projekte allerdings sehr zeitaufwändig, deshalb gibt es nur eine sehr begrenzte Anzahl an Lehrern, die sich freiwillig dafür melden. Organisatorisch ist es sehr komplex, besonders, wenn wir zum Beispiel eigentlich fürs Abitur vorbereiten sollen. Da haben wir echt etwas anderes zu tun.“
Florent Ternisien, Lehrer am Lycée Jean Renoir in Paris
„Ich denke, dass französische Schulen mehr für europäische Themen sensibilisiert werden sollten. Es ist wichtig, dass durch die Schulen das Bewusstsein gestärkt wird, dass wir in Frankreich einen unerlässlichen Teil Europas bilden und Europa ein Teil unserer Identität ausmacht. Es gibt viele europäische Angebote, aber den Lehrern fehlt die Zeit, solche Projekte umzusetzen.“


Das Interesse der Jugendlichen am europäischen Austausch besteht. Vielen fehlen jedoch die Möglichkeiten, Zugang zu europäischen Austauschprogrammen zu bekommen. Euroguidance und Le Parlament Européen des Jeunes sind in Frankreich zwei der größten Anbieter für Europäische Jugendprogramme.

Euroguidance – Berufsberatung auch fürs Ausland

Euroguidance ist ein europäisches Netzwerk, das Jugendliche und Berufsanfänger über ihre Möglichkeiten für Beruf und Karriere berät. Die Berufsberatung zeigt länderübergreifende Ausbildungs-, Praktikums- und Bildungsmöglichkeiten auf. Finanziert werden die Euroguidance-Zentren über „Erasmus+“ und über nationale Finanzierungsquellen. Die Zusammenarbeit von Euroguidance und französischen Schulen ist allerdings nur dann möglich, wenn es zusätzliche eine Vereinbarung mit dem Programm „Erasmus+“ gibt.

„Gymnasien direkt zu erreichen ist sehr schwer, da es viel Zeit von freiwilligen Lehrern braucht“, sagt Manon Klein, die französische Bildungspsychologin von Euroguidance. „Es liegt nicht an fehlendem Engagement der Lehrer. Aber wenn es bedeutet, dass sie für diese Projekte auch ihre Freizeit investieren müssen, wird es schwierig. Deshalb ist es wichtig, dass die Anbieter europäischer Programme die Institutionen besonders bei Verwaltungsverfahren unterstützen.“

La Parlement Européen des Jeunes – das Europäische Jugendparlament

Das Europäische Jugendparlament wurde 1990 gegründet und ist ein globales Netzwerk, das sich aus 40 nationalen Vereinen zusammensetzt. Im Gegensatz zu anderen europäischen Bewegungen ist das Europäische Jugendparlament politisch unabhängig. Ziel des Jugendparlaments ist es, Grundlagenwissen über Europa zu vermitteln und das Engagement und das Verantwortungsbewusstsein für die Europäische Union zu fördern.

In Frankreich besteht das Europäische Jugendparlament aus zwei Hauptamtlichen und 62 ehrenamtlichen Mitarbeitern, sie kooperieren mit 118 Schulen. Die wichtigsten Veranstaltungen bilden die Simulationen von Parlamentarischen Vollversammlungen. Die Jugendlichen werden in Teams eingeteilt und erarbeiten Lösungsvorschläge zu aktuellen europäischen Fragestellungen. In einer parlamentarischen Vollversammlung werden die Vorschläge dann vorgestellt und darüber debattiert.

Das Parlement Européen des Jeunes ist über seine Homepage oder über Facebook zu erreichen. Meist werden die Organisatoren von Lehrern, Schülern oder Direktoren direkt für Events angefragt. Besteht kein persönlicher Kontakt zu einer Schule, fällt es schwer, dort Projekte zu etablieren.Finanziert wird das Jugendparlament aus drei Töpfen: vom Ministerium für Bildung, vom Ministerium für europäische und auswärtige Angelegenheiten und von Erasmus+.

Edgar Perrin, Hauptamtlicher des Parlement Européen des Jeunes: „Für mich war es zu Schulzeiten ein Problem, dass sich niemand kritisch zu Europa äußern durfte.“ (Foto: Lea Nischelwitzer)

Edgar Perrin (21), hauptamtlicher Mitarbeiter, meint zum Europäischen Jugendparlament: „Hier kannst du das Gefühl einer europäischen Atmosphäre bekommen, aber dennoch sagen, was du wirklich denkst. Es gibt auf jeden Fall einen Zusammenhang zwischen dem Zugang zu europäischen Programmen und der Europabegeisterung der Jugendlichen. Du kannst zwar immer noch EU-kritisch denken. Aber wenn du die Erfahrung von europäischem Austausch bekommst, dann kannst du genau sagen, warum du gegen Europa bist und was dich daran stört. Und es liegt nicht mehr daran, dass deine Familie oder dein Umfeld EU-kritisch denkt. Europäische Programme bereichern deinen Verstand und deine Meinung.“